Geht das überhaupt? Kunst in Leichter Sprache zu erklären? Eine Gruppe der Martin Stiftung hat eine Führung ausprobiert.
Auch Kultur soll inklusiv sein, also auch für Menschen mit Behinderung zugänglich sein. Führungen in Kunstmuseen haben jedoch das Image, etwas kompliziert zu sein und kunsthistorisches Vorwissen vorauszusetzen.
Aber es tut sich etwas. Zum Beispiel konzipiert das Haus Konstruktiv in Zürich für seine Ausstellungen extra Führungen in Leichter Sprache. Die Redaktionsgruppe der Hauszeitung Mehrsicht der Martin Stiftung hat es ausprobiert und sich für eine Führung angemeldet. Die Redaktionsgruppe setzt sich aus sechs Bewohnerinnen und Bewohnern der Stiftung, hier leben und arbeiten Menschen mit kognitiver Beeinträchtigung, und Fachpersonen zusammen. Die Zeitung erscheint fünf Mal im Jahr in Leichter Sprache. Klar, dass nach dem Ausstellungsbesuch auch ein Text über die Führung mit dem Sozialpädagogen und Kunstvermittler Roy Felix erschienen ist:
Kunst-Führungen Leichter Sprache
Die Redaktion Mehrsicht machte einen
Ausflug ins Museum in Zürich.
Wir gingen in Haus Konstruktiv.
Es gibt Führungen
in Leichter Sprache.
Wir lernten,
was konstruktive Kunst ist.
Es ist Kunst nur mit Farben,
Flächen und Strichen.
2 Künstler stellten ihre Werke aus.
Die Schweizerin Athene Galiciadis
versteckt Büsis und Schlangen in ihren Bildern.
Wir haben sie gefunden.
Wir machen auch Experimente.
mit Licht und Geräuschen.
Mach auch mal die Augen zu.
Stell dir die Sterne am Himmel vor.
Stell dir vor, dass es regnet.
Hörst du etwas?
Der zweite Künstler hiess
Leon Polk Smith.
Er war Amerikaner.
Seine Familie waren Indianer.
Er machte Kunst mit Mustern,
die auch Indianer brauchen.
Es war sehr bunt.
Die Bilder hatten eine klare Struktur.
Manche Bilder waren rund.
Darauf waren Kreise gemalt.
Stell dir vor:
Diese Kreise gehen neben dem Bild auf der Wand weiter.
Wir machen noch ein Experiment.
Das war faszinierend.
Jeder hatte ein Blatt mit einem Kreis.
Einer von uns legte seinen Kreis auf den Boden.
Die nächste Person legte ihren Kreis daran.
So entstand ein neues Kunstwerk.
Wir geben ihm einen Namen:
follow your life.
Das ist Englisch.
Es bedeutet:
Folge deinem Leben.
Uns gefiel das Museum sehr.
Geh auch mal hin.
Beim Besuch ist wichtig:
- Nichts anfassen
- Nichts essen und trinken
- Abstand halten zur Kunst
- Fotos ohne Blitz.
Der Rundgang im Museum war gratis.
Wir zahlten nur den Eintritt ins Museum.
Roy Felix machte den Rundgang mit uns alleine.
Wir hatten eine Person mit Rollstuhl dabei.
Das war kein Problem.
Kunst aus der Martin Stiftung
In der Martin Stiftung leben und arbeiten viele Kunstschaffende. Sie alle sind Autodidakten mit einer unverkennbaren Bildsprache, sie alle haben etwas zu erzählen. Ihre Werke sind Art Brut.
Mehr Kunst-Führungen in Leichter Sprache
Immer mehr Museen in der Schweiz setzen sich dafür ein, dass ihre Angebote für alle Menschen mit und ohne Beeinträchtigung attraktiv sind. Manche von ihnen tragen das Label «kultur inklusiv». Neben Führungen werden auch Workshops, Tanz und Yoga in den Ausstellungen angeboten, zum Beispiel im Haus Konstruktiv und Museum Rietberg in Zürich, im Kirchner Museum Davos und im Kunstmuseum Thun.
Bilder: Miriam Eckert, Cinzia Sartorio